Freitag, 15. Juni 2012

15.06.2012, Château de Bossey - Genf

Harte Fakten: 24 Kilometer, 4 Stunden 20 Minuten reine Marschzeit, Flachetappe, mehrheitlich auf Asphalt.

Nach der herrlichen Nacht im Schlossbett und dem feinen Frühstück lockt nochmals der Weg. Eher gemächlich starten wir in den letzten gemeinsamen Tag. Das Ziel ist in Sicht, die grosse Freude fehlt. Jedes geniesst für sich alleine nochmals das Unterwegssein. Der grünblaue See, das Montblanc Massiv, die Blumenwiesen, Ährenfelder, die ganze Schönheit, alles präsentiert sich uns ins seiner vollen Pracht.
Mit jedem Schritt rückt Genf näher. Die Flugzeuge über uns werden von Minute zu Minute grösser, Ortschaften ziehen an uns vorbei und plötzlich befinden wir und uns direkt am Seeufer auf Genfer Stadtgebiet. Bei einem Kaffeehalt nehmen Julia, Regi und Jörg, alten Traditionen folgend, ein Bad im kalten See. Zudem lassen wir einen Lenzburger-Stein, den wir 3 Wochen mitgeschleppt haben, im Genfersee versinken. So ist unsere Ankunft besiegelt.
Bei der Kathedrale von Genf geniessen wir in der Gruppe, aber auch jedes ganz für sich alleine, letzte intensive Emotionen. Viel gibt es dazu nicht zu schreiben, dies muss man erleben. Jakobus hat drei Wochen seine schützende Hand über uns gehalten, er hat uns hier auch empfangen. Wir sind angekommen, doch war nicht dies das Ziel. Wir waren zusammen unterwegs und hoffen auf weitere gemeinsame Wege.

Dankbar und enorm bereichert blicke ich auf die drei vergangenen Wochen zurück. Ein herzliches Dankeschön an alle, welche unsere Gemeinschaft seis durch Mitpilgern, Mithelfen oder durch die Begleitung mit guten Gedanken bereichert haben. Danke für eure Zeit, danke für eure Begleitung.

Donnerstag, 14. Juni 2012

14.06.2012 - Gland - Céligny

Die harten Fakten: kurze 15 Spazierkilometer, 3.15 h Marschzeit, 22'675 Schritte

Vom Zivilschutzkeller in Gland ins Château de Bossey in Céligny. Von der Pritsche im Untergeschoss eines einfachen Gebäudes in ein Traumschloss an herrlichster Lage hoch über dem Lac Léman. Wohl kaum etwas könnte den Pilgeralltag treffender widerspiegeln als der Vergleich vom gestrigen zum heutigen Nachtlager. Nun sitze ich also beim zurückgekehrten Sonnenschein, herrlichen Temperaturen und wolkenfreiem Himmel im pittoresken Schlossgarten, lausche dem fröhlichen Vogelgezwitscher und lasse mich vom traumhaften Panorama in die Alpen und auf den Genfersee vom Blogschreiben ablenken, gerne ablenken.

Max Furter hat sich kurzfristig zur zweitletzten Etappe angekündigt. Nicht wissend, dass er damit die bei weitem einfachste und kürzeste Strecke gewählt hat. Uns tut sein Besuch gut, er lässt den unerbittlich näher rückenden Abschluss kurzzeitig etwas in den Hintergrund rücken. Der heutige Pilger-"Spaziergang" hat durchaus auch seine Vorteile. Er lässt Zeit für ausgedehnte Kaffeepausen und ein ausführliches Picknick zur Mittagszeit. Das frisch gemähte Gras lädt zum Mittagsschlaf ein. Power Nap oder ganz einfach pilgermüde? Die Frage bleibt offen.

Ein Tagesmarsch steht noch aus. In gut 20 Kilometer sind wir an unserem Ziel in Genf angelangt. Von Konstanz nach Genf, rund 450 Kilometer oder eine Dreiviertelmillion Ruth-Schritte. Jeden einzelnen marschiert in 21 Tagen. Schritt für Schritt, einer nach dem andern, berg- und wieder talwärts, gerade aus, über Stock und über Stein, über Asphalt und von der Nässe aufgeweichten Boden, bei Regen und bei Sonnenschein.... Ein unbeschreibliches Erlebnis für uns, die wir den gesamten Weg mitgehen durften und wohl auch für jene, die uns dabei ein kurzes Stück begleitet haben. Wir danken Regi und Jörg Kyburz, die diese wertvolle Erfahrung haben Realität werden lassen und mit uns teilten. Ganz einfach DANKE. Bald gehen wir alle wieder zurück an unseren Platz im Alltag, mit diesem riesigen Geschenk in unserem Rucksack. Was auch immer deine Zukunft dir bringt, lieber Jörg: I wünsch dir Schueh, wo di träge, so wyt wie du geisch..... Das letzte Blogwort gehört morgen dir.


Mittwoch, 13. Juni 2012

13.06.2012 - St-Prex - Gland

Die harten Fakten: 22 Marschkilometer, 4.45 h reine Laufzeit, 34'672 Schritte

Die Abschiedstränen sind versiegt, Petrus dreht den Wasserhahn ebenfalls wieder zu. So langsam aber sicher verabschiedet sich das feuchte Element wieder aus unserem Alltag.
Die Pilgerschaft ist auf 8 Personen zusammengeschrumpft und nächtigt in St-Prex in zwei Privathäusern. Da in einem Haus gerade renoviert wird, müssen Bärnu und Marc zuerst noch die Fensterscheiben einhängen, bevor wir unter die Bettdecke schlüpfen können. Die abgekühlten Temperaturen machen wenig Lust auf Schlafen bei offenem Fenster. Eine ganz neue Erfahrung reiht sich so in unser Pilger-Palmares. Genau so wie es der Pilgerführer, wenn wohl auch nicht in diesem Sinn, versprochen hat.

Ein neuer Begleiter hat sich uns angeschlossen. Er wird bis an unser Ziel in Genf stets an unserer Seite bleiben: Der Lac Léman. An seinen Gestaden wandern wir die kommenden drei Tage durch die bekannte Weinbau-Region La Côte. Aus der Fussgängeroptik gestaltet sich die riesige Weinbauregion noch viel eindrucksvoller als sie aus Sicht des Benzin-Pilgers scheint.

Im Zeichen der Muschel von Konstanz nach Genf. Pilgern nährt Körper, Geist und Seele. Es ist tagtäglich ein neues Vergnügen fürs Auge, die Ohren und für den Gaumen, ein wahres Festival der Sinne. Wir nehmen immer wieder Dinge wahr, die bisher kaum unsere Aufmerksamkeit gefunden haben. Trotzdem stehen wir vor der Tatsache, dass alles irgendwann zu Ende geht. Langsam aber sicher geht unser Blick nicht mehr nur nach vorn, sondern auch zurück. Die Erfahrung weicht dem Aufbruchgedanken. 63 Stempel zieren mittlerweile unseren Pilgerpass. So vielfältig wie die Abdrucke selber, so beeindruckend verschieden zeigten sich die Gotteshäuser, die unseren Pilgerweg vom Boden- an den Genfersee bisher säumten. Jeder von uns hat sie auf seine ganz persönliche Art und Weise wahrgenommen und einen stillen Moment für sich genossen. Und es ist tatsächlich so: Man fühlt sich dort dem Himmel ein gutes Stück näher. Zum geistigen Draht, den wir an diesen ganz speziellen Orten immer wieder aufs Neue herstellen durften, gab es auch stets unvorstellbar schöne Glasmalereien an den Kirchenfenstern zu bestaunen.
Nun haben wir in der Zivilschutzanlage in Gland für heute Nacht Quartier bezogen und machen uns bald auf, um gemeinsam mit unserem holländischen Pilgerkollegen Theo seine Mannen, die dem runden Leder nachrennen, anzufeuern.

Dienstag, 12. Juni 2012

12.06.2012, Lausanne - St-Prex

Harte Fakten:
Distanz: 20.7 Kilometer, reine Marschzeit: 4 Stunden, 26'472 Ruth-Schritte, Flachetappe

Die heutige Etappe steht in verschiedener Hinsicht im Zeichen des Wassers. 2 Minuten nach Abmarsch in der Jugendherberge öffnet Petrus sämtliche Schleusen. Die Sturzbäche vom Himmel führen dazu, dass wir innert kürzester Zeit sehr nass sind. Théos lakonischer Kommentar: "In meinen Schuhen hat es mehr Wasser als im Genfersee". Obschon wir von diesem meist nur die aufspritzende Gischt sehen und das Rauschen des Wassers hören, ist es schön, dem Wasser entlang zu wandern.
Eigentlich ist es mehr als erstaunlich, dass wir nach den Strapazen des Vortages noch alle unterwegs sind. Unsere Körper sind wirklich Wunderwerke, haben diese doch prächtig regeneriert. Vermutlich haben aber auch die Massagen von Julia und Théo, welche ihre Dienste am Vorabend den geschundenen Pilgern anboten, auch viel zur Muskellockerung beigetragen.
Nach knapp eineinhalb Stunden gönnen wir uns in St-Sulpice einen ausgiebigen Kaffeehalt, welcher auch gleich zu einer Grobtrocknung genutzt wird. Kaum wieder "on the Way", giesst es wieder wie aus Kübeln. Die Frage "läufst du noch - oder schwimmst du schon" wird zum Dauerbrenner, scheint der Weg vor uns sich doch wiederholt mit dem See zu vereinigen. Erstmals ist heute der Wanderweg teilweise unpassierbar, so dass wir kleine Ausweichmanöver pilgern müssen. In Morges entschliessen wir uns zu einer längeren Mittagsrast. Typisch schweizerisch geniessen wir ein herrliches Käsefondue. Dies ist absolut nicht abwegig, sind doch die Temperaturen draussen zwischenzeitlich auf 14 Grad gesunken.
Leider muss uns Johannes Elias heute nach den acht gemeinsamen wunderbaren Tagen verlassen. Die Pflicht im Kloster ruft und so heisst es nach dem Mittagessen Abschied zu nehmen. Der Abschied gestaltet sich sehr feierlich, haben wir alle unseren "Bruder" doch sehr ins Herz geschlossen. Wir versichern uns gegenseitig ein Wiedersehen und trotzdem öffnen sich die Schleusen heute ein weiteres Mal, das heisst, einige von uns können und wollen die Tränen des Abschieds nicht zurückhalten. Johannes Elias war unterwegs nicht nur unser geistlicher Beistand, nein er ist uns ein wirklich lieber Freund geworden. In Dankbarkeit für das Privileg seiner Begleitung entlassen wir ihn in Richtung seiner klösterlichen Heimat.
Und nicht genug der Feuchtigkeit, bekommen wir das "köstliche" Nass auf dem letzten Teilstück der heutigen Etappe nochmals deutlich zu spüren. So sind wir nicht unglücklich, kurz vor 16 Uhr unser heutiges Nachtlager zu beziehen.

Montag, 11. Juni 2012

11.06.2012, Moudon - Lausanne Jugendherberge

Harte Fakten: 38 Kilometer, 54078 Ruth-Schritte, über 1000 Meter rauf und runter, 8 Stunden 50 Minuten reine Marschzeit, über 11 Stunden 30 Minuten unterwegs.

Noch härtere Fakten:
Verspätet losmarschiert, 1. Stockfehler bereits bei der Kirche in Moudon, 2. Umweg ca. nach 1.5 Kilometern, mehrere kleine Zusatzschlaufen in Folge mangelhafter Markierung.
Verpflegung ungenügend, angeschriebene Häuser 'Fehlanzeige'. 90% Asphaltwege, die wenigen Naturwege aufgrund des starken Regens nur schwer passierbar. 75% zum Teil starker Regen, 25% Sonnenschein.
Hätten wir gewusst, dass nach dem ersten Blick auf den Genfersee und die Kathédrale von Lausanne noch 10 harte Marschkilometer, Downhill, auf Hartbelag, vor uns liegen, die meisten hätten die Flügel gestreckt.
Leider haben Théo II und Domenica am Bahnhof Lausanne heute die Gruppe verlassen. Somit hat sich diese auf 9 Personen reduziert.
Gesamtfazit: hart - hart - brutal hart. Knochen durchnummeriert, Füsse platt. Wir sind total geschafft!

Sonntag, 10. Juni 2012

10.06.2012 - Orsonnens - Moudon

Die harten Fakten: 24 Pilgerkilometer, 5,15 h Marschzeit, 38'080 Schritte

Pilgern durch das herrliche Schwiizerland ist auf die Dauer ganz schön anstrengend. Umso wichtiger ist es, für die von den Marschstrapazen täglich von neuem ermüdenden Häupter eine erholsame und zugleich preiswerte Liege zu finden. Auch hier präsentiert unser Land ein Angebot, das seinesgleichen sucht: Hotel, Pilger- und Jugendherberge, Schlafen auf dem Bauernhof......was des Pilgers Herz begehrt.• An dieser Stelle darüber zu schreiben, würde allein einen Blog füllen. Deshalb möchte ich nur die beiden jüngsten Nachtlager erwähnen. Heute nächtigen wir in der Landwirtschaftlichen Schule in Moudon, und zwar in grosszügigen, komfortablen 2er-Zimmern. Der Blick fällt ins Grüne. Ebenso ländlich geprägt ist der Geräuschpegel. Pizzas sind bestellt und die Fussballfans haben sich nach einem Pilger-Power-Nap vor dem Bildschirm wiedergefunden.

Als ganz besonders eindrucksvoll gestaltete sich unser Aufenthalt gestern Nacht im Monastère de Fatima, einem vietnamesischen Zisterzeinserkloster in Orsonnens, fernab der gängigen Reisepfade. Dort wurde uns ein überaus freundlicher Empfang bereitet, und der Tisch war mit einem köstlichen Mahl reich gedeckt. Anschliessend durften wir einen kurzen Moment dem Abendgebet der Mönche beiwohnen, bevor uns Pilgerbegleiter, Bruder Johannes Elias, unser ganz persönliches Pilgergebet gestaltete. Ein ganz ergreifender Moment, der die sonst eher gesprächsfreudige Pilgergemeinschaft auch in der Stille vereinte.

Mit Christine Wilhelm und Theo Herren stossen zwei weitere Kurzzeit-Pilger zu uns. Der Kreis der Wanderer ist wieder auf 13 Personen angestiegen. Wer die anspruchsvollen Bergetappen durch die Innerschweiz und das Berner Oberland miterlebt hat, bekommt beim Studieren der Marschrouten durch die französische Schweiz kaum mehr Herzflattern. Mehr noch: Der Marsch von Orsonnens nach Moudon gestaltet sich zu einem wahren Pilger-Race. Das Laufen grossenteils auf Asphalt ist wenig erbauend und entsprechend steigt die Laufgeschwindigkeit im Verlauf des Tages. Am Schluss haben wir die im Pilgerführer angegebene Richtzeit tatsächlich um rund eine Stunde unterboten. Das zügige Marschtempo hindert uns jedoch nicht daran, uns an den wunderschönen Kulissen der historischen Städte zu erfreuen, an denen wir vorbeiziehen. In Romont, wen wunderts, schlagen die ehemaligen Soldatenherzen höher. Es gibt wohl kaum einen Hügel in der Region, auf dessen Strassen nicht auch Schweiss von Lenzburger Radfahrer-Soldaten klebt.
Jörgs Knie, das in den Bergetappen arg strapaziert wurde, erhält von unseren wandernden Pflegefachfrauen Christine und Julia die notwendige Zuwendung und Pflege. Die Zuversicht, dass es Genf erreicht, steigt.

Samstag, 9. Juni 2012

9.06.212 Fribourg - Orsonnens

23 Marschkilometer, gut 5 Stunden Marschzeit, einige hundert Meter rauf und nieder, 34'400 Ruth-Schritte

Der Einstieg in die vom Vortag noch nassen Schuhe gelingt erstaunlich gut. Die meisten übrigen Kleidungsstücke sind wieder trocken und so erstaunt und an diesem Morgen lediglich, dass wir in der Jugendherberge fast die einzigen Gäste mit weisser Hautfarbe sind. Besucher aus Nordafrika und Allgerien zeigen sich deutlich in der Mehrheit.

Der Ausmarsch aus Fribourg gestaltet sich einfacher als erwartet. Nach weniger als 30 Minuten befinden wir uns bereits im Grünen. Die Gäste, welche sich am Vorabend in die Gruppe eingefügt haben, Doris Zinniker und Domenica Schwager sind wieder bei uns und neu haben sich für die dritte Pilgerwoche Julia und Marc Ziegenhagen der Gruppe angeschlossen, halten das forsche Tempo locker mit. Nach gut zwei Stunden gönnen wir uns in Posieux einen ersten Marschalt. Obschon das Lokal auch der Bierbrauerei kundig ist , bleibt es bei Kaffee oder stärkender Ovomaltine. Durch schöne Wälder, über alte Brücken und weite Felder zieht die Gruppe danach weiter Richtung Westen.
Trotz vorbeiziehenden Wolken steigen die Temperaturen langsam wieder über 25 Grad und das Vorwärtskommen wird zunehmend beschwerlicher. Glücklicherweise finden wir noch vor Autigny einen wunderbaren Picknickplatz und so folgt eine ausgiebige Mittagsrast. Leider führt der Weg danach mehrheitlich über Asphaltstrassen und so sind alle froh, dass wir kurz vor 16 Uhr das Monastère de Fatima in Orsonnens, unser heutiges Nachtlager, erreichen.


Freitag, 8. Juni 2012

08.06.2012 - Rüeggisberg -Fribourg

Die harten Fakten: bis zur Herberge in der Stadt 35 km Laufstrecke, 7.50 h reine Laufzeit, ein gäbiges Auf und Ab, 48'656 Schritte.

Heute kommt Fusspflege vor dem Blog schreiben. Das haben sich unsere Füsse nach dieser Monsteretappe mehr als verdient.
Der 14. Pilgertag schreibt in vielerlei Hinsicht Pilgerrekorde. Nebst Streckenlänge und Marschzeit kommt ein weiterer Superlativ hinzu: strömender Regen!! Es giesst wie aus Kübeln als wir durch die im Pilgerführer mit genussreiche Hügellandschaft des Freiburger Mittellandes bezeichnete Landschaft marschieren. Doch leider sehen wir nicht viel davon. Sämtliche Panorama-Kommentare erübrigen sich an diesem Freitag. Petrus hat den Vorhang fest zugezogen. Nicht ohne uns jedoch ausserhalb von Rüeggisberg mit einem traumhaften Regenbogen auf die Wanderreise zu schicken.

Es schifft und schifft und schifft.... Sagt Theo plötzlich zu mir: "Ruth, meine Schuhe sind voll Wasser." Sag ich zu Theo: "Ich bin auch nicht mehr ganz trocken." Entgegnet Theo lakonisch: "Das ist wohl das Understatement der Woche." Es schifft und schifft und schifft weiter... Das Wetter tut unserer tollen Stimmung jedoch keinen Abbruch. Philosophierend und singend ziehen wir westwärts von Ort zu Ort. Wir drücken ein wenig auf die Tube, wohl wissend um die heutige Streckenlänge. Bis wir schlussendlich in Fribourg eintreffen hat wohl auch der letzte Kybi-Pilger mit Blessuren zu kämpfen. Und wir konstatieren, dass selbst Ordensbrüder-Füsse bei langen Fussmärschen weltliche Reaktionen zeigen und sich Blasen an ihnen festklammern.







Donnerstag, 7. Juni 2012

07.06.2012, Amsoldingen - Rüeggisberg

Harte Fakten: Distanz: 20.5 Kilometer, 4 Stunden 40 Minuten Marschzeit (wir sind fast gerannt), ca. 30000 Ruth-Schritte, nicht mehr so viel hoch und nieder wie an den Vortagen (aber immer noch genug).

Tagesrückblick der etwas anderen Art:
Wenige Momente nach dem Start im Sternen besichtigen wir die vom heiligen Mauritius geweihte Kirche, die grösste ottonische Basilika der Region, welche um das Jahr 1000 entstand. Wir sind überwältigt, Besuch sehr lohnenswert. Danach erfolgt der wirkliche Start in die Tagesetappe, wobei sich unsere Kleingruppe sehr schnell in die Länge zieht. Noch im Pilgertanz über den Weg rollend unterziehe mich nach wenigen Kilometern einem ersten Body-Check:
Fuss rechts: i.O., Unterschenkel rechts, i.O., Knie rechts, stechender Schmerz, Oberschenkel und Hüfte rechts, i.O.. Fuss links, Blase an der Fusssohle drückt, Fazit 'unproblematisch', Unterschenkelmuskulatur leicht verhärtet, Fazit 'unproblematisch', Knie links, i.O., Oberschenkel links i.O., Hüfte links, leichter Druck, Fazit 'unproblematisch'. Rücken, Schultern, Kopf, alles bestens. Zusammenfassung : Pilgern muss ein wenig weh tun, doch das schmerzende Knie bereitet mir zunehmend ungute Magengefühle.
Unterwegs passieren wir Uebeschi, und Blumenstein, bevor wir uns in Wattenwil einen Kaffeehalt gönnen,. Der folgende Aufstieg nach Burgistein und Weierboden ist steil doch entschädigt der Blick zurück mit dem wunderbaren Panorama der Berner Alpen.
Und was macht der Körper?
Einmal warmgelaufen trottet dieser in wunderbarem Pilgerschritt über den Jakobsweg. Das Knie schmerzt, sticht und manchmal läuft es sich fast ohne Schmerz. Fazit: Ich pilgere.
Bei der Kirche Riggisberg geniessen wir den Fernblick. Die Schweiz ist absolut schön, die Landschaft atemberaubend und der Takt, so hat man das Gefühl, ist hier noch normal. Von aussen betrachtet fast eine heile Welt.
Im Aufstieg nach Rüeggisberg bewältigen wir nochmals knapp 200 Höhenmeter. Zwischenzeitlich verlangt mein rechtes Knie meine gesamte Aufmerksamkeit, jeder Schritt wird zur Pilgerprüfung. Und doch, es ist herrlich, es zieht uns vorwärts, wir fühlen uns frei und geniessen den erhabenen Moment beim Anblick des Kirchenturms an unserem Etappenort in Rüeggisberg.

Mittwoch, 6. Juni 2012

06.06.2012 - Merligen - Amsoldingen

Die harten Fakten: 25 Laufkilometer, ca. 1'100 m obsi, 1'000 m nidsi, 6.5 h Laufzeit, 43'530 Schritte

Die hohen Berge liegen hinter uns, wir verabschieden uns mit dieser Wanderetappe auch von der Region, in welcher sich die Seen wie Perlen an einer Kette aneinanderreihen. Zwar haben wir einen langen Marsch vor uns, doch warten wir die Ankunft unserer Gast-Pilger Alois Lustenberger sowie Margrit und Hans-Peter Müller ab, die nun bereits zum zweiten Mal zu uns stossen. Wohl versorgt mit einem währschaften Frühstück und reichlich Proviant im Rucksack, unsere müden Beine mit reichlich Dulix wieder marschtüchtig gemacht, geht es frohen Mutes in den neuen Pilgertag. Die Strecke zwischen Merligen und Thun führt am Südhang des Sees entlang und offenbart sich (je nach persönlichem Fitnessstand) als kurzweiliges Streifen durch die Natur oder aber als mühsames, never ending Auf und Ab. In der Nähe von Geologe Hans-Peter Müller marschierend, gestaltet sich das Laufen als ganz besonders unterhaltsam und lehrreich. Die kurzen Abstecher in die Dörfer mit den vielen wunderschönen Bauten an attraktiver Lage bestätigen den Ruf der Region als Riviera des Thunersees. Vorbei an Schloss Oberhofen nehmen wir (mittlerweile zu Pilgerstempelhamsterer mutiert) die vielen steilen Stufen hoch zur Kirche Hilterfingen in Kauf, um unseren mittlerweile reich dekorierten Pilgerpass mit einem weiteren Stempel zu ergänzen. Petrus ist sich nicht ganz im Klaren, welchen Wettersegen er uns heute bescheren soll. Es scheint, als schraube er ununterbrochen am himmlischen Wasserhahn, doch so richtig regnen lassen will er es dann doch nicht. Die Folge davon ist perfektes Wanderwetter. Die Bergspitzen sind in sanfte Wolkendecken eingebettet, auf dem Thunersee herrscht reger Schiffverkehr. Nach einem kurzen Lunchhalt verabschieden wir beim Bahnhof Thun Thomas, dem das Pilgerleben so gut bekommen ist, dass er seinen Aufenthalt kurzer Hand um um einen halben Tag verlängert hat. Durch den Schadau-Park gelangen wir zur wunderschönen Kirche Scherzligen und damit auch zur nächsten Stempelstation. So langsam drängt sich mir die Frage auf, ob uns die eingeschlagene Marschrichtung tatsächlich zu unserem Tagesziel nach Amsoldingen bringt. Zudem schleicht sich die Müdigkeit unsere Beine hoch, da kündigt der Wegweiser bereits den nächsten Anstieg zur Gwattegg an. Nicht ohne dabei glücklicherweise endlich auf Amsoldingen hinzuweisen. Die Stockhornkette im Blickfeld schreiten wir zügigen Schrittes dem Dorf entgegen. Apropos zügig: Mittlerweile ist geklärt, weshalb die Lebensgeister der männlichen Pilger am Ende eines jeden langen Marschtages urplötzlich wieder erwachen und sich ihr Schritttempo sichtbar beschleunigt. Es ist das kühle Blonde, das ihnen im Geiste bereits erwartungsvoll entgegenlacht und sie alle Strapazen wieder vergessen lässt. Tagtäglich aufs Neue. Ausnahmslos. Ordensbruder hin oder her!

Auch der heutige Pilgerabend beginnt bereits "vielversprechend". "Pilgermutter" Theres im Kreuz Amsoldingen fackelt nicht lange und begrüsst Bruder Johannes Elias ganz direkt: "Was trägst du drunter?" Und er um keine Antwort verlegen, entgegnet: "Frag mich nach dem zweiten Bier." Dieser Abend verspricht noch heiter zu werden...

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